10. Oktober 2023

Zur Rechtmäßigkeit der Erlaubnis des Einsatzes von ChatGPT an der Universität Hohenheim in Prüfungen

Ab dem Wintersemester 2023/2024 sollen Dozentinnen und Dozenten an der Universität Hohenheim darüber entscheiden dürfen, ob ihre Studierenden KI-Tools wie ChatGPT in (Abschluss-)Arbeiten einsetzen dürfen. Weitere Details definierte die Universität Hohenheim in einem eigenen Empfehlungspapier zum Umgang mit KI in Prüfungen. 

Ob dies rechtlich in der geplanten Form zulässig ist, beleuchtet die nachfolgende Analyse: 

1. Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit aufgrund fehlender Eingrenzung 

Es wird schon nicht klar vorgegeben, welches KI-Modell genutzt werden darf. Dies ist unseres Erachtens aber zwingend notwendig, um einem möglichen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit entgegenzuwirken.

Beispiel: Angenommen, es existieren sehr gut funktionierende, aber eben kostenpflichtige (und durchaus teure) KI-Tools. Die Erlaubnis, auch diese nutzen zu dürfen, würde eine Benachteiligung wirtschaftlich schlechter gestellter Studierender bedeuten – und damit einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit darstellen.

2. Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit wegen datenschutzrechtlicher Unzulässigkeit 

Es dürften unsererr Meinung nach auch gar nicht einfach sämtliche KI-Tools freigegeben werden. So ist z.B. der Einsatz von Chat(!) GPT datenschutzrechtlich bedenklich. Wenn nun Studentin A dies nutzt, Student B aber (aus datenschutzrechtlichen Erwägungen heraus) nicht, könnte Student B die Prüfung (und nicht nur das Ergebnis, sondern die Durchführung der Prüfung in ihrer Gesamtheit) anfechten, da ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit vorliegt. Daran ändert auch nichts, dass die Prüfenden den Einsatz ausdrücklich erlaubt haben - denn sie können nur den Einsatz zulässiger, d.h. auch datenschutzrechtlich zulässiger, Hilfsmittel erlauben.

3. Keine Befugnis der Prüferinnen und Prüfer hinsichtlich des Einsatzes

Ebenfalls obliegt es unserer Meinung nach hier - ausnahmsweise - nicht den Prüfenden, über den Einsatz zu entscheiden. Auch das würde nur zu Problemen führen und wäre überdies prüfungsrechtlich zumindest fraglich/diskutabel. Richtig ist zwar, dass auch die Entscheidung über die Frage, ob und welche Hilfsmittel eingesetzt werden sollen, grundsätzlich durch die Lehrfreiheit geschützt ist [Thieme, in: Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl., Rn. 66.]. Andererseits ist es in der Rechtsprechung (insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts) und in der Literatur anerkannt, dass der durch Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgte Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsrecht die Prüfungsbehörde verpflichtet, gleiche Prüfungsbedingungen auch in der Auswahl der Hilfsmittel zu gewährleisten, deren Gebrauch den Studierenden zugestanden wird. Je stärker dabei die eingesetzten Hilfsmittel nach ihrer Art und ihrem Umfang zur Entfaltung des in der Prüfung zu messenden Leistungsvermögens der Studierenden beitragen, umso strikter hat die Prüfungsbehörde auf die gleichmäßige Verteilung gleichartiger oder für die Bewältigung der Prüfungsaufgaben zumindest gleichwertiger Hilfsmittel zu achten [Vgl. schon BVerwG, Beschluss vom 19. September 1978 – 7 B 19/78 –, juris Rn. 7; Verwaltungsgerichtshof Baden- Württemberg, Urteil vom 23. März 1982 – IV 605/79; Fischer/Jeremias/Dieterich Prüfungsrecht, 8. Auflage 2022 Rn. 442.]. Die Prüfungsbehörde ist dann, wenn sie selbst Hilfsmittel zur Verfügung stellt, dazu verpflichtet, dies gleichmäßig zu tun und dadurch gleichartige Prüfungsbedingungen für alle zu schaffen [Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2010 – OVG 10 N 33.09 –, juris Rn. 3.]. Bei einem so weitreichenden Hilfsmittel wie dem Einsatz von Chat-GPT (oder anderer KI-Anwendungen) ist eine normative Regelung zwingend erforderlich. „Richtlinien“ stellen keine derartige normative (satzungsrechtliche) Grundlage dar.

4. Verstoß wegen Unvereinbarkeit mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

Es soll aus Sicht der Universität Hohenheim lediglich ein "Empfehlungspapier zum Umgang mit KI in Prüfungen" genügen, nicht einmal eine Richtlinie (geschweige denn eine satzungsrechtliche Bestimmung in einer Prüfungsordnung) soll erforderlich sein. Bereits die Einleitung dieses Empfehlungspapiers ist allerdings heikel, denn darin heißt es: "Die Entscheidung, welche Prüfungsformen geeignet sind, um die Erreichung der Lern- und Qualifikationsziele valide zu überprüfen, sollte weiterhin durch die Modulverantwortlichen getroffen werden." Das ist schon mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht vereinbar, nach der die Prüfungsform normativ festzulegen ist. Unter 3.3 des Empfehlungspapiers heißt es dann zur Bewertung von unter Zuhilfenahme von KI erstellten Arbeiten: "Sind die genutzten KI-Systeme und die unter ihrer Verwendung erstellten Bestandteile der Arbeit ... transparent dargestellt, dann ist die Arbeit als eigenständige Leistung zu betrachten." Im Ergebnis wird so bei der Bewertung die Arbeit der KI als eigenständige Leistung der Studierenden anerkannt. Ohne eine den Anforderungen der Chancengleichheit und des Datenschutzes genügende Regelung der Verwendung von KI in Prüfungen dürfte das nicht möglich sein.

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