08. Oktober 2024Privathochschulrecht

Erfolgreiche Verteidigung einer privaten Hochschule gegen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

Wer sich prüfen lässt, darf erwarten, dass die Prüfungsleistung möglichst gerecht beurteilt und bewertet wird. Bei Zweifeln kann gerichtlicher Rechtsschutz beantragt werden.

Allerdings setzen sich die Gerichte nicht inhaltlich mit der Bewertung auseinander. Denn um Recht sprechen zu können, ist nur ein Studium der Rechtswissenschaften und das Bestehen von zwei juristischen Staatsexamina Voraussetzung. Im Zweifel verstehen die Richterinnen und Richter also nichts von der geprüften Materie. Das brauchen sie aber auch nicht. Denn der Gesetzgeber hat die Befugnis, Prüfungsleistungen bewerten zu dürfen, ganz bewusst in die Hände der Prüfenden gelegt und diese wiederum dürfen solche Prüfungen nur abnehmen, wenn sie selbst die zu prüfenden Fähigkeiten beherrschen, mindestens aber selbst bereits die in Rede stehende Prüfung bestanden haben.

Die Gerichte prüfen aus diesem Grund also nicht, ob eine Prüfungsleistung zutreffend als gut oder herausragend oder nicht bestanden bewertet wurde. Denn es ist Sache der Prüfenden, eine entsprechende Einordnung der jeweiligen Prüfungsleistung in ein Bewertungs- oder Notensystem vorzunehmen.

Die Gerichte kontrollieren aber, ob die Prüfenden überhaupt prüfen durften, Prüfungsgremien richtig besetzt waren, die Prüfenden von dem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen sind und die richtige Prüfungsleistung auch vollständig zur Kenntnis genommen haben, nicht objektiv willkürlich gehandelt, die anerkannten Denkgesetze der Logik und der Wissenschaft berücksichtigt und insbesondere richtige Antworten nicht als falsch bewertet haben.

Ob eine Antwort auf eine Frage zutreffend als richtig oder falsch beantwortet gewertet wurde (also nicht, ob sie zutreffend den Notenwert gut oder nur ausreichend erhalten hat), ist sehr häufig eine Tatsachenfrage und daher dem Beweis zugänglich, was dazu führt, dass die Gerichte im Zweifel ein Sachverständigengutachten über solche Fragen und die Antworten einholen [siehe auch unter Erfolgreiche Verfahren: „Erfolgreiche Anfechtung der zweiten medizinischen Staatsprüfung vor OVG NRW durch teipel.law“ vom 17. Juni 2024].

Kommen in solchen Fällen die Sachverständigen zu dem Ergebnis, dass vielleicht schon die Prüfungsfragen nicht fehlerfrei erstellt wurden oder dass die Prüfenden eine – zumindest auch – richtige Antwort als falsch gewertet haben, verurteilt das Gericht zur erneuten Bewertung der Prüfungsleistung, freilich durch die selben Prüfenden, aber immerhin „unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts“.

Das ist so lange unproblematisch, wie die Prüfungsleistung (noch) verkörpert und damit vorhanden ist, etwa weil von Klausuren noch der Aufgabentext und die daraufhin verfasste Prüfungsleistung oder bei Prüfungen im Antwort-Wahl-Verfahren die Blätter mit den Antwortkreuzen noch vorhanden oder bei elektronischen oder Online-Prüfungen die Daten noch nicht gelöscht sind.

Gibt es diese Prüfungsleistungen aber nicht oder nicht mehr, muss die Prüfung wiederholt werden.

Typischerweise droht ein solcher Verlust gerade bei mündlichen oder berufspraktischen Prüfungen. Denn regelmäßig ergibt sich aus den Prüfungsordnungen, dass hierbei nicht die Prüfung selbst dokumentiert oder protokolliert werden muss, also die gestellten Aufgaben und die gegebenen Antworten oder anders erbrachten Leistungen, sondern dass nur die Zusammensetzung der Prüfungskommission, wer den Vorsitz führte, Beginn und Ende der Prüfung, die Teilnehmenden, das Beratungsergebnis sowie die Bekanntgabe der Noten und gegebenenfalls besondere Vorkommnisse festzuhalten sind. Im Laufe der Zeit verblassen dann die Erinnerungen der Prüfenden an die Prüfung.

Um einen solchen schleichenden Verlust der Bewertungsgrundlage zu verhindern und auch die gerichtliche Kontrolle der mündlichen oder praktischen Prüfung zu ermöglichen, haben die Gerichte einen prüfungsrechtlichen Auskunftsanspruch entwickelt. Danach können mündlich oder (berufs-) praktisch geprüfte Personen im Anschluss an die Prüfung von den Prüfenden verlangen, dass diese die Bewertung nachträglich schriftlich fixieren (protokollieren). Das ist für die Geprüften bereits deshalb wichtig, weil sie nur so herausarbeiten können, dass sie möglicherweise eine zutreffende Lösung präsentiert haben, die aber als falsch bewertet wurde. Und das könnte dazu führen, dass ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen ist und im Erfolgsfalle die Prüfenden ihre Bewertung unter dem Eindruck dieses Ergebnisses erneut vornehmen müssen.

Unsere Mandantin ist eine staatlich anerkannte, also eine private Hochschule. Der Kläger hatte an ihr im Bachelorstudiengang Psychologie studiert. Seine Abschlussarbeit (Thesis) hatten die Prüfenden als noch bestanden bewertet. Die mündliche Prüfung (das Kolloquium) hingegen, in dem er seine schriftliche Arbeit verteidigen sollte, bestand der Kläger nicht, unter anderem weil er,


  • trotzdem die Grundzüge der Lern-, Wahrnehmungs- und Gestaltpsychologie sowie die Grundregeln der Foliengestaltung wie Übersichtlichkeit, Lesbarkeit oder die Nutzung von Grafiken Gegenstand seiner Ausbildung waren, für seine Präsentation ausschließlich aus (viel) Text bestehende Folien erstellt und diese schlicht in hoher Geschwindigkeit und ohne (sinngebende) Betonung abgelesen hatte,
  • auf den Hinweis der Prüfenden, dass sein methodisches Vorgehen in seiner Arbeit in Teilen nicht den Standards der qualitativen Forschung entsprachen, permanent auswich und
  • auch im Fachgespräch keine zutreffenden Antworten geben konnte.


Noch am Tage des Nichtbestehens der Prüfung beantragte der Kläger, dass die Prüfenden ihre Bewertung der mündlichen Prüfungsleistung begründen. Dem kam einer der Prüfer noch am selben Tage per E-Mail nach. Zudem beauftragte der Kläger eine Rechtsanwältin mit der Wahrnehmung seiner Interessen, die bei unserer Mandantin Widerspruch erhoben hat und Akteneinsicht beantragte, die sie auch erhielt. Der Kläger beantragte auch selber persönliche Akteneinsicht bei der Beklagten, was deren Prüfungsordnung auch so vorsieht, damit aufgrund anschließend formulierter Einwendungen ein sogenanntes Überdenkensverfahren (bzw. Überdenkungsverfahren) eingeleitet werden konnte.

Gleichzeitig prasselte aber auf unsere Mandantin ein Gewitter von Anträgen im einstweiligen Rechtsschutz herein, nach denen unserer Mandantin im Wege einer einstweiligen Anordnung unter anderem aufgegeben werden sollte, die Fragen


Wie würde sich die Bewertung bzw. Benotung im Einzelnen ändern, wenn ein gerichtlich bestellter Sachverständiger feststellen würde:

  • dass das vom Prüfling dargelegte methodische Vorgehen (Auswertung der problemzentrierten Interviews) vertretbar war?
  • dass die vom Prüfling dargelegte Beurteilung bzw. Reflexion der Methodik und Ergebnisse vertretbar war?
  • dass die vom Prüfling dargelegten PowerPoint-Folien inhaltlich vertretbar waren?
  • dass die vom Prüfling dargelegten PowerPoint-Folien grafisch vertretbar waren?


Wie würde sich die Gesamtnote ändern, wenn mit Ausnahme des zu schnellen Sprechens sämtliche am 26.01.2024 genannten Kritikpunkte mittels eines gerichtlich bestellten Sachverständigen entkräftet werden würden?Wie würde sich die Bewertung bzw. Benotung im Einzelnen ändern, wenn ein Gericht feststellen würde, dass die Reflexion der Ergebnisse laut Modulhandbuch nicht Teil der zu erbringenden Prüfungsleistung war?


zu beantworten.

Augenscheinlich sind diese Fragen der oben geschilderten Rechtslage geschuldet, aber sie sind alle von dem Eintritt eines ungewissen Ereignisses abhängig. Das hielten wir bereits für unzulässig, weil Anträge bei Gericht grundsätzlich bedingungsfeindlich sind.

Das Verwaltungsgericht hat das Problem elegant gelöst und ausgeführt, dass der oben skizzierte Informationsanspruch jedenfalls schon nicht „die Beantwortung hypothetischer Fragen, bei welchen der Eintritt der ihnen zugrundeliegenden Tatsachen unklar ist“, umfasst.

Die Anträge hatten daher keinen Erfolg und wurden abgelehnt.

Von Teipel & Partner mandatsführend:

Weitere Informationen zu Dr. Jürgen Küttner

  • Spezialist im Prüfungsrecht und Beamtenrecht 
  • Fachanwalt für Verwaltungsrecht seit 2008. 
  • Promotion zum Dr. „in utroque iure“ (kanonischem und weltlichem Recht)
  • Über 500 persönlich geführte Verfahren im Prüfungsrecht/Hochschulrecht
  • Erfolge vor dem Bundesverwaltungsgericht (sowohl Revisionsnichtzulassungsbeschwerde als auch Revision) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und dem Bundesfinanzhof.

Dr. Jürgen Küttner steht Ihnen insbesondere  im Prüfungsrecht und im Beamtenrecht als hochqualifizierter Ansprechpartner zur Verfügung.  

Dr. Jürgen Küttner war mandatsführend in folgenden Verfahren

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