Die Prüfungsaufgaben für die medizinischen Staatsprüfungen werden bundeseinheitlich vom „Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen“ (impp) erstellt.
Die Selbstdarstellung und die Eigenwahrnehmung dieses Instituts lesen sich in einer Stellungnahme des Fachgebietsgruppenleiters für den Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung beim impp, Herrn Dr. Hendelmeier, so: Die „Aufgaben für die medizinischen Staatsprüfungen werden von medizinischen Expertinnen und Experten ... erstellt. Diese sind akademische Koryphäen für ihr jeweiliges Fachgebiet ... Überwiegend handelt es sich dabei um Lehrstuhlinhaber und -inhaberinnen sowie Chef- und Oberärzte und -ärztinnen aus allen medizinischen Hochschulen in Deutschland. Das heißt, die Sachverständigen kommen aus der Mitte der akademischen Hochschullandschaft mit großer Expertise ... Die wissenschaftlichen Referentinnen und Referenten des IMPP sichern Wissenschaftlichkeit und Eindeutigkeit.“ [Dr. Hendelmeier, in: https://aerztestellen.aerzteblatt.de/de/redaktion/arbeiten-beim-impp-so-entstehen-die-fragen-fuers-medizinische-staatsexamen, aufgerufen 16. Juni 2924.]
Ja dann kann doch eigentlich nichts schiefgehen, oder?
Oh doch. Denn entweder hatten die Koryphäen mit großer Expertise sich Aufgaben ausgedacht, die nicht lösbar waren und die Kontrolle durch die wissenschaftlichen Referentinnen und Referenten hatte versagt, oder die wissenschaftlichen Referentinnen und Referenten haben aus korrekten Aufgaben nicht beantwortbare Aufgaben gemacht und zur Prüfung gestellt oder vielleicht ist auch beides passiert, wir wissen es nicht. Aber heute wissen wir, mindestens zwei Aufgaben, die das impp in der von uns angefochtenen Prüfung gestellt hatte, waren kompletter Murks. Bei einer dritten Aufgabe befand der Gutachter, dass die Aufgabe auch nicht eindeutig zu lösen gewesen wäre. Leider hat sich das alles erst im Berufungsverfahren herausgestellt.
Erstinstanzlich ließen zunächst die Vehemenz und Selbstverständlichkeit, mit der das Landesprüfungsamt Nordrhein-Westfalens und Herr Dr. Hendelmeier für das impp in einem von uns beim Verwaltungsgericht Düsseldorf geführten Klageverfahren auftraten und ihre Aufgaben in der mündlichen Verhandlung verteidigt hatten, allein einen Schluss zu, nämlich dass alle, wirklich alle der an der Aufgabenstellung beteiligten Koryphäen, Referentinnen und Referenten so sehr qualifiziert sind, dass die streitgegenständlichen Aufgaben natürlich zutreffend gestellt waren und vollkommen eindeutig lösbar sind und Fehler aufgrund des sorgfältigen Erstellungsprozesses selbstverständlich als ausgeschlossen gelten müssen. Davon ließ sich auch die Einzelrichterin beeindrucken und lehnte einen von uns gestellten Beweisantrag ab. In der Begründung führte sie aus, wir hätten „nicht in dem gebotenen Maße dargetan, dass es für die Streitentscheidung einer dem Gericht bislang nicht zur Verfügung stehenden weitergehenden Sachkunde bedarf.“ Ach so. In den Beweisantrag hätte also noch der Satz gemusst: „Und außerdem kennen Sie sich in diesen unter Beweis gestellten medizinischen Fachfragen nicht gut genug aus.“ Dann wissen wir das jetzt für das nächste Mal.
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG Münster) ließ in weniger als zwei Monaten - und damit in einer für verwaltungsgerichtliche Verfahren sehr, sehr kurzen Zeit - die Berufung gegen dieses erstinstanzliche Urteil zu und die Tinte unter unserem Berufungsbegründungsschriftsatz war noch nicht richtig trocken, da erhielten wir auch schon einen von Amts wegen ergangenen Beweisbeschluss des Senates über alle unsere erstinstanzlich gestellten Anträge. Augenscheinlich fehlte also den Berufsrichtern des Senates am OVG Münster die Sachkunde, welche die Richterin am Verwaltungsgericht noch für sich reklamiert hatte. Jedenfalls ging immerhin das OVG Münster davon aus, dass das impp möglicherweise auch unzulässige Fragen erarbeitet hatte, also Fehler gemacht haben konnte.
Die Gutachter hatten dann mit den zur Überprüfung gestellten
Aufgaben des impp ihre liebe Mühe. Bereits die ersten beiden Stellungnahmen enthielten
eindeutige Aussagen: Eine Aufgabe war schon deshalb nicht lösbar, weil überhaupt
keine der vorgegebenen Antworten zutreffen konnte (alle vom impp vorgegebenen Antwortmöglichkeiten sind "nicht korrekt"). Funfact: Der Gutachter kommt
zu dem Ergebnis, dass schon die klinischen Angaben im dazugehörigen Fallbeispiel
„nicht dem notwendigen Niveau einer ärztlichen Anamnese“ entsprechen. Wir
erinnern uns, Koryphäen mit großer Expertise in ihrem Fachgebiet … Ähnlich war
es bei einer weiteren Aufgabe, denn dort ging es um die Bewertung eines
einzelnen Röntgenbildes, wobei im Hinblick auf die zu stellende Diagnose nach heutigem Wissen zwei verschiedene
Röntgenbilder erforderlich sind, um anhand einer dreidimensionalen Bewertung
die abgefragte Entscheidung ausreichend fundiert treffen zu können. Bei einer dritten Aufgabe,
in der nach der geeignetsten Methode zur Diagnose gefragt wurde, kam der
Gutachter zu dem Ergebnis, dass alle als Antwortmöglichkeiten vorgeschlagenen Methoden wesentlich gleich geeignet sind, man in der Praxis ein bestimmtes der als
Antwortmöglichkeiten vorgegeben Verfahren aber tatsächlich nicht bevorzugen würde,
nämlich das Röntgen, allerdings nicht, weil das Röntgenbild weniger oder schlechter geeignet wäre als die anderen vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten, sondern wegen der damit einhergehenden Strahlenbelastung
für die Patientin. Danach (nach der schonendsten Methode) war aber in der Aufgabe nicht gefragt (sondern nach der geeignetsten).
Das OVG Münster hat daraufhin vorgeschlagen, dass sich die Beteiligten vergleichen sollen. Wir haben unserem Mandanten zur Annahme eines solchen Vergleichs geraten, weil so eine schnelle Beendigung des Rechtsstreits und damit für ihn auch ein rasches Fortführen seiner Karriere möglich ist.
Zweiter Funfact: Der Vergleich wäre beinahe gescheitert, denn zustimmen müssen alle an dem Gerichtsverfahren beteiligten, also nicht nur der Kläger und das beklagte Land NRW, sondern auch das zu dem Verfahren beigeladene impp. Wundert es irgendjemanden, dass das impp die Frist zur Annahme des Vergleichs verbummelt hatte und deshalb der Vergleich zunächst nicht wirksam werden konnte?
Dr. Jürgen Küttner steht Ihnen insbesondere im Prüfungsrecht und im Beamtenrecht als hochqualifizierter Ansprechpartner zur Verfügung.