Das Land Hessen ändert die Bestimmungen über die Sitzverteilungen in Gemeindeparlamenten: Es geht wieder einen Schritt zurück. Verfassungsrechtlich bedenklich?
Es geht um die Verteilung von sogenannten „Restplätzen“ oder „Reststimmen“ bei Wahlen zur Besetzung gemeindlicher Gremien, also insbesondere von Stadträten.
Bei demokratischen Wahlen muss jede Stimme gleiches Gewicht haben. Dies gilt sowohl für die Stimmauszählung, die sogenannte Zählwertgleichheit, als auch für die möglichst gleiche Sitzverteilung nach dem Verhältnis der Stimmenanteile, die sogenannte Erfolgswertgleichheit. Nur bei strenger Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes ist gewährleistet, dass alle Wählenden mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben.
Das bedeutet, dass beispielsweise bei einer Wahl, an der drei Parteien teilnehmen, die jeweils gleich viele Stimmen auf sich vereinigen konnten, jede der Parteien jeweils ein Drittel der zu vergebenden Sitze erhält. Sind in dem zu wählenden Gremium 15 Sitze zu vergeben, erhält jede Partei fünf Sitze (Idealanspruch). Problematisch wird es aber schon, wenn 16 Sitze zu vergeben sind. Dann stellt sich die Frage, welcher Partei dieser 16te Platz zustehen soll, nachdem jede der Parteien bereits fünf Sitze zugeteilt wurden. So entstehende Restplätze müssen ebenfalls gerecht und damit am Gleichheitsgrundsatz orientiert verteilt werden.
Für diese Verteilung sind in den letzten Jahrzehnten verschiedene Verfahren entwickelt und angewendet worden: Das Höchstzahlverfahren nach D'Hondt, das Verfahren nach Hare/Niemeyer, das Verfahren mit prozentualem Restausgleich nach Rock und das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schäpers.
Obwohl nach Auffassung von Mathematikern das zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelte Verfahren nach Sainte-Laguë den Wählerwillen akkurat umsetzt und sich deshalb seit den 80-er Jahren immer weiter durchgesetzt hat, geht der Landtag des Landes Hessen wieder einen Schritt zurück und führt das von D'Hondt (1841–1901) entwickelte Verfahren ein.
Nun hat nach dem nordrhein-westfälischen Landesverband auch der Hessische Landesverband von Volt teipel.law beauftragt, zu prüfen, ob dieser Schritt rückwärts verfassungsrechtlich zulässig ist.
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